Palliative Atemtherapie
Donnerstag, 28.11.2024Aus der Kraft des Atems schöpfen
Palliative Atemarbeit in der SAPV und in der AAPV (Brückenschwestern)
Wenn im klinischen Umfeld von Atemtherapie gesprochen wird, ist zumeist die klinisch-medizinische Atemtherapie gemeint, die sich mit den Krankheiten und Funktionsstörungen von Lunge und Stimmapparat befasst. Physiotherapeutisch können vor allem die körperlichen Beschwerden bei Störungen der Atmung behandelt werden. Die Palliative Atemarbeit hingegen nutzt den Atem als Weg zur Verbindung von Körper, Seele und Geist. Sie basiert auf einem alten „Atemwissen“, das in vielen früheren Kulturen bekannt war, und spricht den Menschen in seiner Ganzheit, in seinem Wesen an.
Anders als in der klassischen Atemtherapie kommen die Patienten nicht zu mir, sondern ich mache mich auf den Weg, um sie aufzusuchen. Dem Erstkontakt kommt somit eine hohe Bedeutung zu. In der ersten Begegnung ist der Aufbau einer Vertrauensebene wichtig. Wenn ich den Atem anspreche, wird mein Ansinnen zumeist leicht verstanden und auch angenommen, obwohl den Patienten Atemtherapie fremd ist und sie sich nichts darunter vorstellen können. Sie fürchten sogar häufig, es wäre anstrengend oder gar schmerzhaft.
Die erste Begegnung mit den Patienten wird mir in der Regel durch das Team vermittelt, d.h. ich werde zu diesem oder jenem Patienten „geschickt“. Manchmal wird mir auch jemand „ans Herz gelegt“, andere erwarten mich schon, oder ich „finde“ sie. Durch die auf den Atem bezogene Berührung gehe ich auf ihre Bedürfnisse ein, auch wenn sie nicht in der Lage sind, diese zu artikulieren.
Die Krankheitsprozesse der Patienten sind oft unberechenbar, heftig und stark wechselnd. Sehr selten umfasst der Behandlungsprozess mehr als sechs Behandlungen. Doch auch das ist ungewiss. Jede Behandlung ist einmalig.
Die Einfühlung in den schwerkranken oder sterbenden Menschen ist mir besonders wichtig: auf seinen Atem zu lauschen, empathisch mit ihm sein. Wenn die Begegnung gelingt, wird mir die innere Befindlichkeit des Menschen deutlich und ich halte sie erst einmal mit ihm aus. Vielleicht finde ich auch eine Antwort auf das, was mir der Patient durch seinen Atem, seine Symbol- und Körpersprache mitteilen will. Mit Hilfe des Atems und der Berührung kann ich, wenn es sein soll, auch Linderung bewirken.
Christine Heidenreich, Atem- und Körperpädagogin, Palliative Care Fachkraft